Samstag, 11. Dezember 2010

Winter

Drei Tagen Dauerregen kombiniert mit eklig kalten Temperaturen haben eine Idee davon entstehen lassen, wie der Winter hier ist. Als sich jedoch mal ein Wölkchen verzog und den Blick auf die Berge freigab hatte ich einen Plan; 1000 meter weiter oben war natürlich alles als Schnee niedergegangen, also schnell ein Snowboard ausgeliehen und zum Perito Moreno losgefahren.


Da endete dann auch schon der Plan, die Auffahrt über die stillgelegten Wege der Pistenraupen geriet mit dem Motorrad zum Horrortrip. In Schlangenlinien durch Schlamm und Neuschnee, um eine tote Kuh drum rum, nur um schließlich in einem Schlammloch bis an die Knie mitsamt Motorrad festzustecken. Viel Gezerre und getrete später konnte ich meine Auffahrt bis zur Leiche eines ausrangierten Pistenbullis forsetzen, ab hier nur noch zu Fuß.

Schnell bereute ich, nicht auch noch Schneeschuhe ausgeliehen zu haben. Mein Kampfgeist reichte zwar noch für eine weitere Stunde aufstieg durch Schnee der mir immer wieder bis zur Brust reichte, dann jedoch beschloss ich erstmal das viel zu kleine Snowboard auszuprobieren.

Und siehe da; ich kam keinen Meter vorwärts! Erst weiter unten zeigte sich mein Aufstiegsweg befahrbar. Über schön viele schwer erkennbare Steine, Baumstümpfe und ähnliches raste ich also abwärts, vollkommen unfähig das Gerät durch den schweren, schon wieder tauenden Neuschnee zu manövrieren. Mit einem ordentlichen Krampf im Oberschenkel und unzählbaren zentimetertiefen Kratzern im Board komme ich schließlich unten an. Mal wieder ein Erlebnis, braves Motorrad, und genug vom Winter. Jetzt kann ich mich auf Rio freuen =)
 






Montag, 6. Dezember 2010

Recorriendo la Patagonia

 Die Erlebnisse der letzten Wochenenden, in Bildern zusammengefasst....Eine Motorradtour in den Süden, ein Wochenende auf dem Campo der Nyes, zwei Tage in den Bergen.
Nur noch 10 Tage Schule verbleiben, dann beginnen die Sommerferien. Bis dahin werde ich noch einmal ausführlicher über meine Arbeit in der Schule berichten. Bis dahin viel Spaß mit den Bildern =)

Eines Nachmittags machte ich mich mit dem Motorrad nach Süden auf, ins ca 100 km entfernte Cholila, warum weiß ich nicht, ein unglaublich tristes und kaltes Örtchen jedenfalls. Unterwegs durchfuhr ich zum ersten mal sowas wie Pampa, hier mit einem der riesigen Landgüter von denen aus der enorme argentinische Fleischbedarf gedeckt wird.
Nach 60 km Schotterpiste war mir sogar eine tote Kuh Grund genug endlich mal Pause zu machen...

Der patagtonische Himmel bietet täglich eine neue kuriose Wolkenform

Durch Wald und Wiesen mit dem Motorrad

Campo der Nyes, einer wohlhabenderen Schulfamilie, auf dem ich mich ein Wochenende lang austoben konnte

Behüter des Campos, der stolz das eben geschossene Wildschwein auseinandersägt. Keine Berührungsängste bei argentinischen Kindern jedenfalls, der Jüngste, ncoh im Kindergarten, kommt mir mit zwei noch warmen abgeschnittenen Pfoten entgegen und sagt lachend ich solle doch mal guten Tag zu "Chancho" sagen, während er mit den Dingern in meinem Gesicht rumfuchtelt. =)

In Deutschland Blume, hier eine Plage. Lupinen bedecken hektarweise Weideland - fressen tun sie noch nicht mal die Kühe.

Mein erster Blick am Morgen aus dem Haus auf das Anwesen der Nyes

Ein Wochenende davor; Nach vielen Höhenmetern Blick auf die gesamte Kordillere

Pure Schönheit, Ruhe, Natur. Von kleinen Bächen durchflossene, am Boden mit Rhododendron bewachsene Wälder

Nach einer Nacht im Refugio Cajon de Azul bricht sich die Morgensonne in den Kronen der Coihues als ich in die Berge aufbreche

Eiskalter Ersatz einer morgendlichen Dusche..... Brrr. =) Thorin, out.

Donnerstag, 18. November 2010

Gipfel

Argentinien ist ein Land großer Distanzen. Und um die als weilen zu überbrücken braucht man einen fahrbaren Untersatz. Nach langer Warterei mit allerlei Unsicherheiten ist vor knapp zwei Wochen nun mein bestelltes Motorrad angekommen. Nach einer fünfminütigen Einweisung (Gang rein, Gas, Schalten… und wo bremsen? Achso, da unten) fuhr ich die ersten Liter spottbilliges Benzin auf einem schön großen, leeren Campo weg. Der Verkehr im Ort erfordert etwas mehr Präzision - Mut beim rechts überholen, schnelles Anfahren zum Reindrängeln und Manövrierfähigkeit beim umfahren sehr hoher Speedbumps - mittlerweile aber kein Problem mehr.
Also bin ich seitdem, wann immer mir ein paar frei Stunden bleiben, unterwegs. Schotterstraßen ins nirgendwo, Feldwege auf verlassenen Hochebenen, kaum noch erkennbare Pfade in die Pampa, Dirttracks in die Berge der Umgebung.
Am Samstag habe ich dann endlich den höchsten Berg der Umgebung, den Piltriquitron, bestiegen. Auf dem Gipfel, 1500 m über der Talsohle und noch von Schneefeldern umgeben, umkreiste mich ein Kondor in sehr geringer Entfernung, mit über zwei Meter Flügelspannweite der größte lebende Vogel.
Am nächsten Tag fuhr ich mit dem Motorrad zu einem exponierten Felsvorsprung über dem Rio Azul, warf danach einen Blick auf den „Cabeza del Indio“, den Kopf des Indio, um zu meinem eigentlichen Ziel weiterzufahren, dem Perrito Moreno. Im Winter ein Skigebiet, war der Aufstieg durch kahlgeschlagene Schneisen ein kläglicher Anblick. Dann öffnete sich der Wald zu einer Hochebene, dem „Plateau“, noch bedeckt von kilometerbreiten Schneefeldern, über die ich auf den Gipfel zulaufe. Am Fuß des letzten Anstiegs muss ich leider umkehren, da die Sonne schon tief steht und den Schnee so stark aufgeweicht hat das ich bis an die Knie einsinke. Ich klettere noch ein bisschen in den Felsen rum, lasse mich dann über ein Schneefeld abwärts gleiten; der schwere, aufgefirnte Schnee rutscht mit. Alles unter Kontrolle, rede ich mir ein, um den Mordsspaß, den ich inmitten meiner kleinen Lawine habe, nicht beenden zu müssen. Als die Steigung nachlässt kommt tatsächlich auch alles zum stehen, und ich muss mich, Hose und T-Shirt voller Schnee, an den Abstieg machen. Nass, sonnenverbrannt, erschöpft und glücklich setze ich mich auf meine Enduro und  bretter nach Hause.


Platttform am Piltri erreicht, ab hier zu Fuß

Abfahrt vom Piltri

Somewhere in Nowhere

Am Piltriquitron

Valle del Rio Azul

Blick vom Piltriquitron

Gipfel des Piltriquitron, 2280 m

Valle Encanto Blanco, Blick vom Perrito Moreno

Cabeza del Indio

Über Schneefelder zum Perrito Moreno

Kondor über dem Piltri

Aufstieg zum Perrito Moreno

Dienstag, 2. November 2010

Momentaufnahme, Novemberanfang



Neue Impressionen, mitten aus dem Frühling. Da sich in Argentinien sowieso niemand an Vorschriften, schon gar nicht an Schutzvorschriften hält, beschloss auch der  Schöpfer, die Atmosphäre habe hier kein Ozon nötig. Wo vor einem Monat noch fast Winter war, erlebt man daher schon Mittagshitze wie in deutschen Jahrhundertsommern.



Argentinien, kulinarisch; Nichts falsch machen kann man mit den besten Stücken vom Argentinischen Rind – Lomo - und dem Besten der Argentinischen Syrah-Traube - Rotwein aus Mendoza.






Was gibts außerdem zu berichten...?
Mittlerweile unterrichte ich die dritte und fünfte Klasse in Deutsch, sowie die Klassen vier bis sechs in Zeichnen und Malen. Mit der Vorbereitung der Unterrichtsstunden ist das ein gewaltiger Zeitaufwand, anspruchsvoll, aber auch zufriedenstellend. Ich bin schon eher Lehrer als nur ein"Voluntario para todo". So kanns weitergehen. 
Wenn denn alles gutgeht werde ich in den nächsten Tagen auch dem Argentinischen Geschäftswesen und der Bürokratie gegenüber punkten können; mein Motorrad kommt angeblich in wenigen Stunden an! Bar jeder Ironie nannte mir der Verkäufer heute morgen eine minutengenaue Ankunftszeit, nachdem ich nun schon fast vier Wochen zu lang warte.
Ich bin zur Ruhe gekommen, meine Gedanken kreisen ums Jetzt, um die vergangen und kommenden Jahre, um das Land und die Leute die ich gerade kennenlerne. Ich fühle mich befreit, und meine Pläne reichen eigentlich nie über die nächsten zwei Tage oder zwei Stunden hinaus. Klingt schon beinah nach argentinischer Gelassenheit. Nur das Gelassenheit und Unpünktlichkeit, zu Religion und Gesetz erhoben, sich aufgemacht haben jede Planmäßigkeit zu konterkarieren.
Einzig verlässlich, und heilig, Ladenschluss zur Mittagszeit. Doch mittlerweile habe ich mich auch an die Siesta gewöhnt, die mich anfangs oft vor verschlossenen Türen hat stehen lassen.

Dienstag, 26. Oktober 2010

Kontraste

Bariloche, Montag, 18. Oktober 2010

Das erste mal das es ganz groß und offensichtlich hervortritt, was in meinem Vertrag irgendwo steht; Argentinien, Entwicklungsland.
Ich muss nach Bariloche, 130 km, wo man immer hin muss wenn es etwas offizielles, Papierkram eben, sogenannte "Tramites", zu erledigen gibt. Ich will ein Motorrad kaufen, und das erfordert ein unglaubliches Ausmaß an Erklärungen, Beglaubigungen, Erlaubnissen, Erfassungen.
Unterwegs bin ich mit Martín, einem Schulvater, der als Architekt in Bariloche arbeitet. Nachdem wir ein "Tramite" in Rekordzeit erledigt haben - 1:0 für uns gegen die Bürokratie - wird uns auf dem nächsten Amt erklärt wir bräuchten weitere Papiere für das nächste "Tramite". 1:1, und Martín muss sich um Kunden kümmern.
Auf dem Weg zu den Baustellen durchqueren wir die ganze Stadt.
Ein Trip durch alle Ebenen der Zivilisation, manifestiert im Stil der Behausung. Aus dem völlig touristischen Zentrum, geprägt von Einflüssen schweizerisch-ländlicher Architektur, römischen Säulenbauten und kunsthandwerklichen Holzverzierungen, geht es durch mittelständische Wohngebiete, dann folgen heruntergekommene Wohnblocks. Die Straße führt über eine Anhöhe und plötzlich erstreckt sich vor uns eine Weite Ebene, begrenzt auf der anderen Seite durch steil aufragende, noch schneebedekcte Berge. Auf der Ebene hat das unbändige Wachstum der letzten Jahre einen Haufen Wellblechhütten ausgeschüttet, dazwischen einige zerbröselnde Betonbauten gestreut und ansonsten Holzverschläge, Baracken und wuchernde Wäscheleinen aus dem Boden schießen lassen. Martín diskutiert am Telefon über die Ausrichtung eines Jacuzzis. Ich brauche ein bisschen bis ich mir sicher bin mich nicht verhört zu haben, und schaue nochmal aus dem Fenster.
Am Ende der schnurgeraden Straße die uns durch all das führt türmt sich ein neuer Berg auf. Nicht sonderlich hoch, dafür lang, sehr lang, und in ständiger Auflösung begriffen. Einige Plastiktüten, die vom Wind auf die Windschützscheibe gepresst werden, geben die Antwort; Die Mülldeponie Bariloches. Durch die Luft flattert weiteres Gezeugs, und die Umgebung sieht aus als hätte jemand gerade eben den gesamten Vorrat der Stadt an Plastiktüten hier verteilt.
"Some years ago it was worse". Einziger Kommentar Martíns zu dem Anblick. "Welcome to the Third World". Lachen.
Unpassender Zeitpunkt für diese Ankündigung, denn nach zweihundert Metern biegen wir ab, eine kurze Strecke durch flach bewaldetes Gebiet, dann nähern wir uns hohen Zäunen, Schranken, einem Checkpoint, besetzt mit vier Securityleuten. Elektronische Chipkarten, in der Ausgestaltung um ein vielfaches komplexer als der Argentinische Personalausweis, und Martíns bekanntes Gesicht bewegen die uniformierten Männer dazu die Schranken zu heben.
"Areleuquen". Darunter: "Golf and Polo Club". Aha.
 "Velocidad maxima: 35 km/h". Ein bisschen muss ich schmunzeln. Doch Martín hält sich dran - ich verstehe die Welt nicht mehr. Denn der Hinweg war mit regelmäßigen Geschwindigkeitsüberschreitungen um das drei- bis fünffache verlaufen. Und gleich darauf präsentiert sich mir das erste Radargerät auf argentinischem Boden.
So langsam hab ich eine Vorstellung davon  wo wir hier sind; im Paralleluniversum der reichen, polospielenden, golfenden, weder Dritter noch Erster Welt angehörenden Argentinier. Erfolgreiche Geschäftsleute, die wenigsten aus der Region, die meisten aus Buenos Aires - auf der Flucht vor Kriminalität, schlechter Luft oder der Steuerfahndung. Wer weiß. Die Häuser die hier gebaut werden, nach strengen Vorlagen des Clubs in Holz und Stein, bewegen sich alle zwischen ein und zwei Millionen Dollar meist nur im Sommer bewohnt. Eine kühle, anonyme Atmosphäre liegt über den perfekt gestutzen Golfrasen. In den vier Stunden die wir von Baustelle zu Baustelle kurven erblicke ich keinen einzigen Anwohner, nur Bagger, Bauarbeiter und eine Quad-Patrouille, die mich freundlich darauf hinweist, dass das Aufnehmen von Fotos untersagt sei. Nachdem die letzten Details für den Jacuzzi geklärt sind bekomme ich eine ausgiebige Führung mit dem Pickup durch die Umgebung, die mir schon vertraut scheint; Ausgedehnte, vom Wind gepeitschte Seen, schroffe Berge und Wälder riesiger, immergrüner Bäume. Wieder habe ich Argentinien ein bisschen besser kennengelernt - und immerhin ein Tramite für mein Motorrad erledigt =)

Montag, 11. Oktober 2010

Cajon de Azul


Sonntag, 10.10.2010

Eine der vielen berühmten Touren der Umgebung, deren Ausgangspunkt leider nur über kilometerlange Schotterpisten zu erreichen ist, ein Albtraum zum Wandern, aber zu viert lässt sich auch ein Taxi nehmen; den meine fürsorgliche Gastmutter hat mich mit Lital, Orit und Wusmat, drei Israelis, verkuppelt.
Nach einer guten halben Stunde gilt es zwei Brücken zu überqueren: Fingerdicke Stahlseile, daran, mit Küchendraht aufgehängt, morsche und nicht immer vollzählige Holzbrettchen. Schilder warnen vor einer maximalen Tragfähigkeit von 150 kg. Beim Betreten schwankt und schwingt das Brückchen meterweit zu allen Seiten aus, aber mit viel Geschrei kommen alle drüben an.
Um beim folgenden Aufstieg näher an der Schlucht zu bleiben, weichen wir vom vorgegeben Weg auf einen hübschen Dschungeltrampelpfad ab (Ich spiele meine Einflussnahme auf diese Entscheidung bewusst herunter). Einige Weggabelungen weiter, bei denen sich die Größe des Trampelpfädchens stets halbiert hat, strengen wir all unsere Spurenlesekenntnisse an um die großen dicken Haufen neben dem Weg als Kuhkacke zu identifizieren. Wir sind also im Straßensystem eines womöglich sehr aggressiven Wildkuhstamms verloren. Bei den israelischen Damen ist damit der Spaß vorbei, aber einige Minuten (oder vielleicht war es eine Stunde) später sind wir wieder auf dem Hauptweg.
Der weitere Weg führt uns durch Wälder riesiger Südbuchen, manchmal schaue ich ganz genau hin um zu checken ob nicht doch manche von ihnen Ents sind und sich langsam bewegen oder unterhalten. Dann öffnet sich die Schlucht und das türkisblaue Wasser des Rio Azul schlängelt sich um ausgeschliffene Felsblöcke herum und an weitläufigen Sandbänken vorbei, die uns zum verweilen anflehen. Aber wir bleiben eisern und bald darauf erreichen wir auch den eigentlichen Spot; die Schlucht ist hier fast 30 Meter tief, aber oben wo wir stehen nur ein bis zwei Meter breit. Alles ganz atemberaubend und so, aber nicht so schön wie unsere in Sonne getauchten Felsbänke und türkisen Buchten weiter flussabwärts. Und außerdem haben wir Hunger, kehren also um und machen unter einer weiteren Hängebrücke Mittagspause. Die Schockstarre, als ich mich von den knarzenden Brettchen der Brücke in neun Grad kaltes Wasser plumpsen lasse, taut die Sonne erst Minuten später wieder auf.
Auf dem weiteren Rückweg planen wir als Abschluss des Tages unser argentinisches Dinner. Wunderschöne Wildnis, und das beste Fleisch der Welt; zwei der wenigen Dinge die Argentinien richtig gut kann.