Sonntag, 8. Mai 2011

Farben






















Was ich vermissen werde sind die Farben im Bild. Die Intensität, das Leuchten. Wieder einmal kommen mir all diese Gedanken, als ich auf dem Motorrad aus dem Ort hinausfahre, nach Norden, der Sonne entgegen. Ich habe mich schwer gefühlt, zu viel nachgedacht oder besser nachgezweizelt, war von kleinen Gewissensbissen geplagt. Dinge die einem die Laune verderben. Und nun rauscht die Luft über mein Gesicht, kalt und belebend, ich blinzele in die Sonne hinein und muss unwillkürlich lachen, als ich fühle, wie all diese Schwere die mich Sekunden zuvor bedrückte hinter mir auf der Straße liegen bleibt, vom Wind erfasst und weggeweht wird. Ich bin plötzlich schwerelos und mein Herz presst sich zusammen, fühlt sich beinahe erdrückt von der Begeisterung über die augenblickliche Freude und Erlösung. Ich gebe Gas, hebe die Beine in die Luft  und lehne mich nach vorne, fange unwillkürlich an zu singen, all die Lieder an die ich mich gerade erinnere. Ich schaue mich um, versuche sie alle auf einmal zu sehen, die Farben. Die gelben Pappeln neben der Straße, ihre leuchtenden Blätter die im Wind über den Asphalt wirbeln. Das Gelb des Mittelstreifens. Das Karminrot der reifen Hagebutten. Das blendende Weiß des Schnees auf den Berghängen. Das gewaltige Blau des Himmels.

Momente bedingungslosen Glücks, verpflichtungslosen Glücks, Glück, das unverdient und  losgelöst von jeglichen Bedingungen  einfach kommt und wieder geht. Das Glück ist dabei eher ein Einfluss von außen, ein Geschenk. Ein Geschenk welches mir in Momenten zuteil wird wenn ich dafür empfänglich und aufmerksam bin.
Es gälte zu lernen, sich für diese Art des geschenkten Glücks zu öffnen, und dabei beiseite zu schieben, was man sich an Bedingungen für Glück aufgebaut hat. Unser Streben nach Glück ist an Bedingungen und Erwartungen gekoppelt; wenn ich dieses tue und jenes erreiche, werde ich glücklich sein. Und vielleicht nur dann. Und von diesen Bedingungen müssten wir uns lösen, sie außer Kraft setzen, damit wir in Momenten für diese Gabe des Glücks empfänglich werden.
Ich genieße also, warte, lebe und träume und verschwende die Momente, weil der nächste schon greifbar nah scheint. Ich gehe meinen Weg unter der tiefstehenden patagonischen Herbstsonne, die Zeit rast vorbei, Wochen gleichen Stunden, der ganze April scheint als wäre er in einem Tag vorbeigeflogen. Meine Maßstäbe sind verzogen, es gibt nur noch das Jetzt, Heute, und manchmal Morgen. Sich mit Rückkehr zu beschäftigen ist daher völlig unmöglich, obwohl ich manchmal das Gefühl habe schon ganz bald wieder ins Flugzeug zu steigen. Vielleicht ist es ja nur die Kompression der Zeit die die Intensität schafft. Und so reflektiere ich, ohne hinterher besser Bescheid zu wissen, was mich nicht kümmert, kommen und gehen die Tage doch mit unverminderter Geschwindigkeit, und mit ihnen zuweilen auch dieses Glück, das Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Zu sein.