Montag, 1. August 2011

El último Roadtrip - Winterferien in Südamerika

















Es blieben noch 10 Tage bis zum Ende der Winterferien, und noch 40 Tage in Suedamerika.
Und noch so viel ungesehn. Dann stand mir ploetzlich ein Pickup zur Verfügung, und einem letzten Abenteuer nichts mehr im Weg.
Also schnell alles, was eventuell zu gebrauchen war, ins Auto geworfen, in weiser Vorraussicht auch meine Snowboardhose,
und gleich am naechsten morgen los, Richtung Chilenische Grenze wo die Carretera Austral beginnt, eine schmale schlaglochreiche Schotterpiste welche über 1000 km durch den Kaltregenwald der chilenischen Anden führt.
Auch wenn es in einem fort regnete und mir die Chilenen zumeist schlicht geldgeil und rückständig vorkamen, wobei die Preise europäisches Niveau deutlich übersteigen, hielt die Landschaft was sie versprach.
Ich drückte also fleißig auf den Auslöser und kam mit mehr als 1500 Fotos zurück. Am dritten Tag nahm ich morgens zwei Franzosen mit an Bord, mit denen ich den Lago General Carreras umrundetet, der zweitgrößte See Lateinamerikas.
Am nächsten Tag trennten sich unsere Wege, ich machte mich auf nach Norden und fuhr die 800 km nach Esquel an einem Stück durch. Ein bisschen wie in Trance kam ich dort schließlich gegen acht an,
lieh und kaufte was mit noch an Snowboardequipment fehlte und checkte in einem Hostel ein.
Am dritten und letzten Tag auf der Piste leistete ich mir zum Abschluss einen schönen Sturz mit Kolateralschaden, das Snowboard "hecho mierda" und ich mit einem Loch im Knie, das aber von einer kompetenten Medica schnell zugenäht wurde.
Die Beweglichkeit meiner Kniee reichte gerade noch um den fünften Gang einzulegen und so die 180 km zurück nach Bolson zu kommen, wo ich ein bisschen verkrüppelt, aber doch alles in allem zufrieden und überaus glücklich in mein Bett fiel.

Mittwoch, 22. Juni 2011

La buena vida

 
Seit gestern werden die Tage wieder länger, die Morgen heller, und die Nächte kürzer. Und doch scheint es jeden Tag kälter zu sein, im Schatten bleibt der Raureif der letzten Nacht den ganzen Tag über bestehen und die Berge rundherum werden weißer und weißer. Vor ein paar Wochen ist in weniger als 200 km Entfernung auf viertausend Metern Länge ein Vulkan aufgebrochen, hat die nächstgrößte Stadt Bariloche unter einer Aschedecke begraben und auch hier für einige Nachmittage den Himmel schmutzig grau-braun gefärbt, die feinen Asche und Sandkörnchen die auch hier langsam zu Boden sanken sind mittlerweile jedoch wieder verschwunden.
In der Schule geht alles seinen Lauf, die Lehrerin der fünften Klasse ist spontan nach Spanien abgeflogen und jetzt habe ich pro Woche 4 Stunden Unterricht mehr, aber da das meistens Spaß macht – gerne doch.
Dann sind da die Wochenenden, die ich manchmal oben auf irgendeinem Berg verbringe, durch bizarre sturmverwehte Landschaften aus Eiskristallen laufend, wenn ich nicht am Vorabend das zeit- und schlafraubende Ritual des Feierngehens absolviert habe, Tango, alternative Designerausstellungen, Konzerte oder Percussion-Trance, Reggae und Rock… Und dann helfe ich ab und an Klaus, mit dem Pickup fahren wir Holzschneiden und ein paar Holzdiebe verjagen, die sich auf sein Land geschlichen haben ohne sich die Reifen an den Nagelbrettern kaputtzufahren, die wir vor einer Woche gelegt haben. Alle zwei oder drei Tage schaue ich bei Jorge vorbei, der wohnt nebenan, und bestaune seine „Mädels“, wie er sie nennt, die scheinbar jedesmal ihre Größe verdoppeln und einen Haufen neuer dunkelgrüner Blätter haben.
Neben meinen zwei verzogenen Knirpsen habe ich nun noch drei weitere Deutschschüler, die sogar richtig motiviert sind und ständig mehr wissen wollen. Außerdem habe ich noch eine Englischschülerin bekommen.
Heute hat es mal wieder die Sonne geschafft richtig zu scheinen, ich liege in meiner Hängematte die direkt neben der in die Wand meiner Hobbithütte eingelassen Autoscheibe hängt, genieße die Wärme, genieße, mal wieder ein richtig gutes Buch zu lesen, ein Roman der in der Militärdiktatur Argentiniens spielt, und genieße vor allem, nichts zu tun. Nichts tun zu müssen. Ah verdammt doch. Ich muss noch diesen Film zurückbringen den ich vor zwei Tagen ausgeliehen habe. Nagut, dann kann ich gleich bei der Tanke vorbei und meinen Blog updaten.
Und dann muss ich nur noch schauen das ich einfach so glücklich und ruhig bleibe wie ich gerade bin. Aber das war hier eigentlich nie schwierig.


Holzskulptur im "Bosque Tallado"
Abfahrt vom Piltri am letzten Herbsttag des Jahres

Wintermorgen im "Schulgarten"

Kolibri verirrte sich ins Klassenzimmer


Fußballplatz beim Refugio am Piltri, der Winter ist da


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Leicht verspätet. Es dämmert, und wir sind noch mitten in den Bergen

Sternenhimmel. Vor drei Stunden standen wir auf diesen Gipfeln

Eiskristalle zeigen die Windrichtung an

Auf dem Gipfel des Piltri, mit Jorgito
Rechts vorne; Mary Jane. Jorges "Mädels"

Die Menschen hier sind sehr talentierte Gärtner

Sonntag, 8. Mai 2011

Farben






















Was ich vermissen werde sind die Farben im Bild. Die Intensität, das Leuchten. Wieder einmal kommen mir all diese Gedanken, als ich auf dem Motorrad aus dem Ort hinausfahre, nach Norden, der Sonne entgegen. Ich habe mich schwer gefühlt, zu viel nachgedacht oder besser nachgezweizelt, war von kleinen Gewissensbissen geplagt. Dinge die einem die Laune verderben. Und nun rauscht die Luft über mein Gesicht, kalt und belebend, ich blinzele in die Sonne hinein und muss unwillkürlich lachen, als ich fühle, wie all diese Schwere die mich Sekunden zuvor bedrückte hinter mir auf der Straße liegen bleibt, vom Wind erfasst und weggeweht wird. Ich bin plötzlich schwerelos und mein Herz presst sich zusammen, fühlt sich beinahe erdrückt von der Begeisterung über die augenblickliche Freude und Erlösung. Ich gebe Gas, hebe die Beine in die Luft  und lehne mich nach vorne, fange unwillkürlich an zu singen, all die Lieder an die ich mich gerade erinnere. Ich schaue mich um, versuche sie alle auf einmal zu sehen, die Farben. Die gelben Pappeln neben der Straße, ihre leuchtenden Blätter die im Wind über den Asphalt wirbeln. Das Gelb des Mittelstreifens. Das Karminrot der reifen Hagebutten. Das blendende Weiß des Schnees auf den Berghängen. Das gewaltige Blau des Himmels.

Momente bedingungslosen Glücks, verpflichtungslosen Glücks, Glück, das unverdient und  losgelöst von jeglichen Bedingungen  einfach kommt und wieder geht. Das Glück ist dabei eher ein Einfluss von außen, ein Geschenk. Ein Geschenk welches mir in Momenten zuteil wird wenn ich dafür empfänglich und aufmerksam bin.
Es gälte zu lernen, sich für diese Art des geschenkten Glücks zu öffnen, und dabei beiseite zu schieben, was man sich an Bedingungen für Glück aufgebaut hat. Unser Streben nach Glück ist an Bedingungen und Erwartungen gekoppelt; wenn ich dieses tue und jenes erreiche, werde ich glücklich sein. Und vielleicht nur dann. Und von diesen Bedingungen müssten wir uns lösen, sie außer Kraft setzen, damit wir in Momenten für diese Gabe des Glücks empfänglich werden.
Ich genieße also, warte, lebe und träume und verschwende die Momente, weil der nächste schon greifbar nah scheint. Ich gehe meinen Weg unter der tiefstehenden patagonischen Herbstsonne, die Zeit rast vorbei, Wochen gleichen Stunden, der ganze April scheint als wäre er in einem Tag vorbeigeflogen. Meine Maßstäbe sind verzogen, es gibt nur noch das Jetzt, Heute, und manchmal Morgen. Sich mit Rückkehr zu beschäftigen ist daher völlig unmöglich, obwohl ich manchmal das Gefühl habe schon ganz bald wieder ins Flugzeug zu steigen. Vielleicht ist es ja nur die Kompression der Zeit die die Intensität schafft. Und so reflektiere ich, ohne hinterher besser Bescheid zu wissen, was mich nicht kümmert, kommen und gehen die Tage doch mit unverminderter Geschwindigkeit, und mit ihnen zuweilen auch dieses Glück, das Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Zu sein.

Mittwoch, 27. April 2011

La Escuelita - Das Schülchen

Es ist höchste Zeit einmal wieder aus dem Schulalltag, dem eigentlichen Grund meines Hierseins, zu berichten. Man kann schon sagen, dass sich an der Struktur der Schule und damit auch an meinen Arbeitsumständen einiges geändert hat, und damit mein Jahr hier gleichsam zweiteilt.  Jetzt ist knapp die Hälfte der 85 Schüler weg, drei Klassenlehrer und zwei Fachlehrer sind gegangen, und nur eine neue Lehrerin hinzugekommen. Die ehemalige fünfte Klasse ist ganz verschwunden, und die vierte besteht nur noch aus leidlichen drei bis vier Kindern und wird gleichzeitig von der Sportlehrerin unterrichtet. Es war der einzige große Makel, den die zwei Waldorfgurus die uns vor einigen Wochen besuchten, feststellten; die Schule ist zu klein – viel zu klein. Warum es sie überhaupt noch gebe, dass verstünden sie wirklich nicht. Man mag es vielleicht auf den Kreis der Familien zurückführen, der sich zwar auch verkleinert hat, aber enger zusammengewachsen ist und noch mehr Arbeiten und Verantwortung in der Schule übernimmt als früher. Das monatliche Schulgeld wurde von 290 auf 400 Pesos monatlich angehoben, was mit +40% zwar etwa der Inflation entspricht, jedoch trotzdem ein großer Schritt ist, besonders für Eltern deren festes Einkommen nicht parallel zur Inflation steigt, weil sie gar nicht über ein solches verfügen. Probleme, vor allem finanzielle, gibt es daher trotzdem genug; so ist schon im zweiten Monat des Schuljahrs beinahe die Hälfte der Familien mit ihren Beiträgen im Verzug.

Mein Deutschunterricht hat sich nach außerhalb der Schule verlagert, wo ich nun drei Schüler am Nachmittag unterrichte. In der fünften Klasse unterrichte ich weiter Zeichnen und Malen, im Moment arbeite ich daran, den Kindern durch verschiedene Motive ein Gefühl für Perspektive und die Darstellung von Entfernungen in Bildern zu geben. In der fünften Klasse tritt noch einmal der Umgang mit den Farben in den Vordergrund, bevor in der sechsten Klasse erstmals in schwarz-weiß gezeichnet wird.
Im Gartenbauunterricht habe ich mit der fünften Klasse  ein Erdbeerbeet aus Ablegern angelegt und davor umgegraben, ansonsten in den meisten Stunden geerntet was es so zu ernten gab; Nüsse, Pflaumen, Quitten, Minze, Topinambur, Mais, Kartoffeln. Mit der vierten Klasse behandele ich den gesamten Zyklus des Getreideanbaus bis zur Verarbeitung. Schnitt, Dreschen, Mahlen und in der nächsten Stunde dann Brotbacken gehören dazu.
Mit den zwei Schülern der zweiten Klasse werde ich in einer Woche ein kleines eigenes Geografieprojekt beginnen; das Modellieren einer Landschaft zur Verinnerlichung des Wasserzyklus. 

Da es auf absehbare Zeit nicht zu einem Ansturm an neuen Schülern kommen wird, kann ich vorerst auch mein liebgewonnenes Hobbitlehmhaus behalten, dass ich mir langsam ein bisschen gemütlicher einrichte. Meine kleine weiße Katze ist schon nicht mehr ganz so klein, mein Motorrad nicht mehr ganz so neu (knapp 10.000 km) und mein Spanisch nicht mehr allzu schlecht. In Chile wurde ich auch nach einem kurzen Gespräch noch für einen Argentinier gehalten. Aber das ist eine andere Geschichte.
Im Patagonischen herbstet es derweil, die Tage und Wochen fliegen vorbei und ohne dass ich es gemerkt hätte sind mehr als zwei Drittel meiner Zeit hier schon verstrichen. 

Liebe Grüße aus der Ferne und bis bald,
Torín =)